Würden wir das nochmal genau so machen?

Die Reise liegt hinter uns und wir sind wohlbehalten, ohne Blessuren, ohne Unfall, ohne Lackschaden, ohne Krankheiten, ohne schlimme Ereignisse zu Hause eingetroffen. Wir haben viel erlebt, viele Erfahrungen gemacht, viele Menschen kennengelernt, viele Unterkünfte gesucht, gefunden und genutzt, viele Ladesäulen gebraucht, viele Schritte gemacht, um von der Ladesäule zur Unterkunft zu kommen, und viele Stunden mit Laden verbracht. Viele andere Details spielen mit hinein, ob diese Reise als positiv oder als furchtbar, als Bereicherung oder als vertane Zeit, als Erlebnis oder als Horror-Trip empfunden wird. Die Frage nach der Absicht es wieder zu tun, wieder mit dem kleinen eMobil mit gerade mal 200km Reichweite, vergleichsweise wenig Platz, mit 48kW (entsprechen 65PS) mehr als 4.400 Kilometer auf den teils sehr schlechten Straßen Italiens herumzugurken, nie Fahrzeuge vor, sondern Kolonnen hinter sich zu haben, ständig überholt und geschnitten zu werden, manchmal nervend lahme Ladesäulen zu erwischen und täglich neue Unterkünfte suchen zu müssen ... diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten: Warum? Das versuchen wir mal in folgenden Blöcken zusammenzufassen.

Der Zwang zum Laden sorgt für Entdeckungen ...

Die Suche nach der richtigen, schnellen und günstigen Ladesäule in perfekter Lage war größtenteils unspektakulär. Keine Regel ohne Ausnahme: Wir hatten uns abends in Arezzo mit Freunden zum Essen verabredet. Es war wie verhext, 65km vor Arezzo hatten alle Säulen eine Ladeleistung, die für eine Übernachtung passend gewesen wäre, nicht aber um schnell die benötigte und nicht mehr vorhandene Reichweite zusammenzubekommen, die wir zügig gebraucht hätten. In Calenzano starteten wir an FÜNF 22kW-Säulen den Ladevorgang, brachen jedes mal nach wenigen Minuten und der Erkenntnis, dass es nur maximal 7kW Ladeleistung waren, ab und steuerten die nächste Säule an.

Unterm Strich aber funktionierte das Laden des Akkus in aller Regel gut. In vielen Städten Italiens liegen die Ladesäulen im Zentrum und man hat ziemlich sicher mittendrin für 4 Stunden einen kostenlosen Parkplatz. Nicht selten entdeckten wir unerwartet nette Locations!

Der ökologische und ökonomische Vorteil ...

Es ist kein Geheimnis, dass E-Mobile während des Betriebs keine Schadstoffe beim Energieumsatz für den Antrieb ausstoßen. Was allerdings am anderen Ende des Ladekabels passiert, das wissen wir meist nicht, wenn der Strom nicht aus den Solarmodulen auf dem eigenen Dach stammt. Doch selbst mit einem schmutzigen Kraftwerk für die Einspeisung ins Netz bleibt der Wirkungsgrad des Verbrenners bei einem Drittel, während der Stromer gut 90% in Bewegung umsetzt und damit nur 1/3 der Energie - im ungünstigsten Fall wären also beide gleich mies, doch auch Italien nutzt Sonne und Wind zur Verstromung. Dazu kommt die Fähigkeit der Rekuperation - mehr als 10% auf unserer Italienrunde.

Auf der anderen Seite ist der finanzielle Vorteil nicht nur für den Schwaben interessant: 4.400km für 231,-€, das ist eine Ansage. Bei einem vergleichbar großen Benziner hätte der Sprit bei 5l/100km und 1,85€/l rund 490,-€ gekostet. Ersparnis für 5 mal gut Essen gehen !

Außer der Reihe unterwegs sein ...

Die Route wurde bewusst gewählt: Landstraßen waren die gesuchten Fahrwege. Weg von der vier- oder sechsspurigen Hochgeschwindigkeitstrasse, hin zur ruhigen Nebenstrecke. Das nimmt den Druck, die Strecke ist abwechslungsreicher und immer wieder taucht man in kleine Städte oder Dörfer ein und findet direkt an der Piazza ein Café mit Ladesäule in der Nähe. Endlich hält man sich an die empfohlenen Lenkzeiten, endlich kein übermüdetes und genervtes Fahren mehr. Das E-Auto läuft eh geschmeidiger (den Begriff habe ich erst heute morgen in einem dienstlichen Gespräch von einem anderen eMobilisten gehört - er trifft den Nagel auf den Kopf).

Alles in Allem war die Reise mit dem Dacia Spring tatsächlich sehr entspannt. Es ist auf der gemischten Strecke ein wahres Vergnügen ruckelfrei ohne Schalten, leise ohne Vibration, geruchsfrei ohne Schadstoffausstoß durch die Landschaft zu cruisen !

Tanken braucht Zeit, viel Zeit ...

Alle Ladevorgänge zusammen haben 90 Stunden gedauert. Fast 4 Tage unserer wertvollen Zeit mussten wir der elektrischen Fortbewegung opfern. Doch ein richtiges Opfer war's nicht. Die Vorteile der Fortbewegung mittels Strom habe ich oben schon erläutert und der Großteil der Ladezeit stand für angenehme Dinge zur Verfügung: Schlendern durch schmucke Dörfer, Einkaufen, Lesen, Dösen, Wandern, Schwimmen, Essengehen oder einen Cappuccino genießen. Während der Ladevorgänge war trotzdem Urlaub - Entspannung und Erholung, also keinerlei Defizite, im Gegenteil. Man kann's auch anders herum betrachten: Das Auto hat in Standzeiten endlich mal was sinnvolles gemacht ;-)

Ohne es uns schön zu reden, die Ladezeit ist kein Argument gegen eine längere Reise mit dem E-Auto. Man muss sich drauf einlassen, es ist anders als mit dem Verbrenner. Nicht besser, aber eben auch nicht schlechter.

Famous last words ...

Am Ende des Tages, nein, am Ende der Reise haben wir festgestellt, dass die Vorteile auf ganzer Breite überwiegen: Entspanntes, stressfreies Reisen zu einem günstigen Preis, viel Zeit für Entdeckung und Genuss, kein Schadstoffausstoß in den schönen Städten, ruhiges und gelassenes Cruisen ... man hört die Vögel pfeifen während der Fahrt durch Wälder oder entlang der Wiesen.

Des Resümee steht ja schon ganz oben: Jederzeit und gerne wieder.

Danke fürs Lesen und das Interesse für dieses Reisetagebuch.
Nochmal von vorn? Gerne ...